da muss man durch, als Lurch, wenn man Frosch werden will

Heute Morgen wird mir ein weiteres Mal klar, dass jede Entscheidung ein Massenmord an Möglichkeiten ist.

Ich entschließe mich, daheim in meiner WG zu bleiben. Und dann brummelt mein Bauch und mein Hirn dreht hohl „willst du nicht lieber zu deinen Eltern“? und ich merke, wie der Brand in meinem ganzen Dasein lodert und ich nur Benzin zum Löschen habe. Kurzum, meine Rationalität ist weg. Komplett weg.

Und nun sitze ich da (es ist noch nicht einmal 8 Uhr am Morgen) und ich weiß jetzt schon nicht, wie ich den Tag überstehen soll, weil ich einfach schlichtweg null Planung habe, was ich will.

Meine Lieblingsbetreuerin hat gestern zu mir gesagt, dass meistens der erste Impuls und das Bauchgefühl ausdrücken, was gut für einen ist und was man möchte.

Und dann kehrt auf einmal Ruhe in mir ein, auch wenn ich weiß, dass diese gleich wieder weg sein wird. Aber ich ziehe in Erwägung wirklich zu Hause zu bleiben und in der WG zu sein.

Jedenfalls traf ich dann die Entscheidung hier daheim zu bleiben und wie das halt gerade so ist, triffte ich dann wieder zum Gegenteil und will zu meinen Eltern und unserem Hund.

Es ist ein Chaos.

Aber da muss man durch, als Lurch, wenn man Frosch werden will.

Heiraten – nur so ’ne Idee

Im Fernseher läuft VOX.  Stumm.

Als ich das letzte Mal auf das, auf Stumm geschaltete, Bild sah, lief „ShoppingQueen“. Irgendwie noch lebensnah für mich, weil ich ja auch ab und an Kleidung kaufe, auch wenn ich ein so immens hohes Budget sicherlich noch nie in meinem Leben hatte und es wahrscheinlich auch nie haben werde.

Dann aber läuft jetzt „4 Hochzeiten und eine Traumreise“, was mich nicht interessiert, weil ich wahrscheinlich nie heiraten werde. Und so bleibt es dabei, dass alles im Stummen, an mir vorbeizieht. Aber just in diesem Moment kam mir eine, ja sogar fast sensationelle Idee:

Ich könnte mich doch mit meinen Erkrankungen verheiraten lassen.

… vielleicht werden wir (meine psychischen Erkrankungen und ich) uns dann nicht mehr ewig bekriegen. Nein. Vielleicht wird sogar eines Tages dann Liebe daraus?

Als Hochzeits- und Traumreise, würde ich dann „das Leben“, wählen.

danke für nichts! Aber die Sonne scheint!

Ich sitze in meinem Zimmer am Schreibtisch. Die Sonne scheint auf meine Hände und den Laptop. Es ist schön hier zu sitzen und die Sonne zu spüren.  In solchen Momenten werde ich an das Leben erinnert und daran, dass dieses auch Schönes für mich bereithält. Aber erst einmal war ich nur gefrustet.

Ich schrieb:

„Raus bekommt mich heute, glaube ich, nichts mehr. Ich habe genug. Mir reicht es. Mir stiegt schon wieder die Galle hoch, als ich hier ankam und immer noch alles nach Chinazeug roch.

Der Mann meiner Mitbewohnerin, im ambulant betreuten Wohnen, ist Chinese und die beiden kochen mit Leidenschaft chinesisch. Na gut, er kocht und sie isst, was offensichtlich ist. Aber das tut nichts zur Sache: es ist nur so, dass ich jegliche asiatische, chinesische, thailändische, indische Kost einfach überhaupt nicht mag. Das hängt mit einer traumatischen Erfahrung zusammen und es ist nicht nur so, dass ich es „nicht mag“, mir wird regelrecht wirklich schlecht davon. Auch von Fenchel, aber den kocht hier keiner.

Natürlich kann ich nicht sagen „ihr dürft nicht mehr kochen“, das versteht sich von selbst. Aber ich wünsche mir, dass sie die Türe beim Kochen schließen und nach dem Essen die Küche lüften und nicht alles ins Haus ziehen lassen. Wahrscheinlich würden sie das sogar machen, aber ich bekomme meinen Mund nicht auf.

So habe ich heute Morgen alles aufgerissen, was ich an Fenstern gefunden habe und habe ein Handtuch von Innen an meinen Türschlitz gelegt und mein Zimmer gelüftet. Wach war ich um 03:30 Uhr eh schon, nachdem mit lautem Klirren unten in der Küche Geschirr in die Spülmaschine geräumt wurde, eine Tür knallte und Stühle quietschend gerückt wurden.

Danke, für nichts! Heute hätte ich echt noch Schlaf gebraucht, aber danach fragte, nachts um halb 4, leider keiner.

Nachdem ich heute Morgen mit meinem Opa den Stall gemacht habe, mit meiner Mutter gefrühstückt habe und dann mit ihr, mit drei Pferden, spazieren war, bin ich wieder nach Hause gefahren, wo mich der China-Duft erwartet hat, als habe er sich nach mir gesehnt.

Ich habe mir dann schnell meinen Gemüsesalat geschnappt und bin in mein Zimmer geflüchtet. Habe das Handtuch wieder vor den unteren Türschlitz gelegt und mein Zimmer erneut gelüftet. Im Flur habe ich wieder alle Fenster aufgemacht. Ich ekle mich.

Den Gemüsesalat habe ich runter gefressen und dann den Kuchen von meiner Mum. Ich war „zur Abwechslung mal wieder“, vollgefressen bis oben hin.

Erst kurz zuvor hatte ich zu mir gesagt „scheiß drauf, dann bleibe ich eben so“ (und meinte damit mein Gewicht, den BMI etc.). Wir alle wissen, dass ich das sehr schnell wieder vergessen hatte.

Ich war dann kotzen. Jetzt geht es wieder.“

Nun hatte ich mich aber auch mental ausgekotzt und dann wieder zu etwas Ruhe gefunden. Ich habe mich wieder auf meine Hände, den Laptop und die Sonne konzentriert. Habe auf 1-2-3-4 eingeatmet, 1-2-3-4 die Luft angehalten und auf 1-2-3-4 wieder ausgeatmet. Was nutz es mir, wenn ich mich aufrege, mich aber nicht artikulieren kann?!

Meine Therapeutin hat dieses Thema mit den Männer-Besuchen in unserer ambulant betreuten WG, in der letzten Therapie-Sitzung bei meiner Betreuerin angesprochen. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, weil ich mich, von mir aus, nicht einmal bei meiner Lieblingsbetreuerin dazu geäußert habe, weil ich mich einfach nicht getraut habe und nicht meckern wollte.

Nun ist es aber raus… und das ist sehr gut so.
Die Frage ist jetzt „wie gehe ich damit um?“.

TW: Kotzorgie

*Triggerwarnung*

Herzlich willkommen zur Kotzorgie des Tages,

guten Tag meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen hiermit, die bereits 7. Kotzorgie des Tages. Seien Sie gespannt auf die akrobatischen Ganzleistungen unseres Teams und lassen Sie sich von deren Kunststücken mit und über dem Porzellan-Gott verzaubern.

Und dann fresse ich wieder.

Ich bin nie der Mensch, der ich morgens bin, nie der Mensch, der ich mittags bin und nie bin ich dieser Mensch morgens.

Morgens bin ich meist euphorisch. Mittags motiviert und abends bricht die Welt über mich herein.

Ist das also der Kreislauf meines Lebens?

und ich habe? Wart‘ mal, ich habe niemanden!

Ein bisschen fühle ich mich einsam. Allein.

Meine Mitbewohnerin C. hat Besuch von ihrer Freundin und ihrem Mann. A. meine zweite Mitbewohnerin, sitzt dabei, ist integriert.

S., meine dritte Mitbewohnerin, hat ihren Freund hier.

Und ich habe? … wart‘ mal, ich habe nur mich!

Und so sitze ich dann weinend in meinem Zimmer. Bin froh alleine zu sein und irgendwie auch nicht. Mein Leben rinnt, wie die Regentropfen an der Scheibe, in mir hinab. Ich will nicht mehr und frage mich, warum ich trotzdem muss.

Ich habe Bedarf eingenommen, zwei Mal meine Ration Tavor, davor schon Pipamperon. Aber meine Einsamkeit kann einfach nichts auffangen.

Ich koche Kartoffeln und fühle mich dadurch gleich schon weniger alleine, weil die Idee von meiner Lieblingsbetreuerin gekommen ist und ich mich ihr dann näher fühle, als wenn ich alleine kochen würde. Vielleicht kocht sie gerade auch?

Ich koche nicht schlecht, aber ich koche nicht gerne für mich. Wenn ich meine Familie bekochen kann, dann macht mir das Spaß. Aber ich sehe den Sinn nicht dahinter, dass ich für mich selbst kochen sollte.

Das mache ich jetzt aber trotzdem. Ich koche mir Kartoffeln. Kartoffeln: nur für mich!

Manchmal frage ich mich, warum ich mich von manchen Männer so distanziert habe, Beziehungen beendet habe. Ich weiß genau warum, weil ich es einfach nicht anders gekonnt hätte. Ich will keinen Mann an meiner Seite. Ich will es wirklich nicht, und viel mehr kann ich es einfach nicht. Aber ich bin trotzdem neidisch auf jede meiner Mitbewohnerinnen. Sie haben jemandem, an dem sie sich anlehnen können.

Und ich habe…, wart‘ mal, ich habe niemanden!

Ich habe sehr liebenswerte Menschen um mich herum. In der Betreuung, in der medizinischen Versorgung… aber wenn es ums Ganze geht, darum, zu überleben und einfach einmal jemanden zu haben, der mich auffängt (auch abends oder an einem beschissenen Sonntag), dann stehe ich ganz alleine da und dann ist da niemand. Einfach niemand!

Unwetterwarnung in meiner Seele!

Gestern ging es los. Ich konnte nichts mehr aushalten. Mich nicht und nichts um mich herum. Ich konnte nichts anfangen, nichts machen. Es war alles hoffnungslos. Ich wusste, dass ich aushalten würde müssen, dass ich nichts aushalten konnte. Das ist das grausamste Gefühl, das ich kenne.

Ich stehe dann kurz vor einer Explosion und Implosion zugleich. Dieses Gefühl ist eine existenzielle Bedrohung für mich. Am liebsten würde ich dann sterben. Es ging mir lange nicht mehr so schlecht und elend. Wirklich schon lange nicht mehr.

Meine Nacht war ziemlich gut und heute Morgen bin ich mit einem guten Gefühl aufgewacht. Ich habe viele Beeren gegessen und mir ein Müsli gemacht, weil das mein Ernährungsplan so vorsieht. Dieses habe ich dann runtergeschlungen und es schmeckte nach nichts, weil ich einfach nur gestopft habe. Es ist mir nicht gelungen es „drin zu behalten“ und seitdem mir das „passiert“ ist, ziehen in meiner Seele wieder heftige Gewitter auf.

Unwetterwarnung! Und ich stehe am Rand des Wahnsinns!

2 Monate outpatient. Wer bin ich?

Ich kann es kaum fassen: nun ist es schon 2 Monate her, dass ich nach 9 Monaten Klinik, aus dieser entlassen wurde. Nicht geheilt. Aber ein bisschen stabiler, wenn man so will.

Die ersten Wochen daheim, war ich sehr euphorisch. Das hat sich wieder gelegt. Die depressiven Gedanken und Symptome haben wieder Einzug gehalten und ich dissoziiere sehr viel. Meine Anteile wechseln schnell. Aber sie zeigen sich und meine Therapeutin und Ärztin sagt, dass es doch immerhin ein Zeichen von Leben sei, in meiner sonst so harten Fassade. Was soll ich sagen: sie hat Recht!

Heute haben wir wieder WG-Besprechung und meine Lieblingsbetreuerin und ich wollen in dieser das Thema Dissoziation ansprechen. Es war nicht meine Idee… aber ich sehe ein, dass es Sinn macht. Denn ich habe gerade absolut keinen Einfluss auf meine inneren Wechsel und meine Therapeutin sagt, dass ich das nicht willentlich steuern kann. Sie sagt auch, dass der selbstbestrafende, kontrollierende und destruktive Teil in mir auch nur ein Anteil ist und dass das nicht ich bin. Das hat mich sehr erleichtert und hat viele Anteile eingeladen sich zu zeigen. Noch stehe ich verunsichert am Rand meines Selbst und sehe diesem Schauspiel zu. Es ist aufwühlend und verwirrend. Aber es macht mich auch neugierig. Frei nach dem Motto „wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“

Am Montag war ich noch mal bei meiner Therapeutin und habe meinen Tavor-Bedarf abgeholt, den ich in der Woche zuvor vergessen hatte. Das war sehr schön und herzlich. Es hat mir so gut getan sie zu sehen und in der Praxis gewesen zu sein und trotzdem denke ich, dass der 2-Wochen-Rhythmus für die Therapiesitzungen klar geht.

In einer guten Woche habe ich also wieder ambulante Therapie und dann sind, aufgrund des Jahresurlaubs in der Praxis, leider 4 Wochen Pause. Aber mit meiner Lieblingsbetreuerin an meiner Seite, schaffe ich auch das.

Ja, wer bin ich? Was macht mich aus? Wie komme ich in die Kommunikation mit meinen Anteilen? Meine Therapeutin hat mir vorgeschlagen ein Buch für Notizen auszulegen, in das alle Anteile hineinschreiben oder malen dürfen. Dieser Idee schenke ich Raum und Zeit.

Leider habe ich mich gestern selbstverletzt. Ich habe mich geschnitten, konnte aber alles selbst versorgen. Warum? Keine Ahnung. Ich habe es kaum mitbekommen. Die Selbstverletzung ist aber kein Grund jetzt in einem Tief zu versinken.

Im Gegenteil: ich biete dem Leben die Stirn!

Annika: „der Wind wird immer stärker!“

Pippi: „das macht nichts: ich auch!“

Ich verliere nie meinen Humor, er wechselt höchstens die Farbe.

Ich bin emotional wieder viel mehr daheim, in meiner WG, angekommen. Ich habe gestern den kompletten Tag dort verbracht und es war echt schön, auch wenn es ein unglaublich anstrengender Tag war, weil sich die Anteile nur so türmten und sich, glaube ich, ständig abgewechselt haben. Für mich ist das momentan noch ein ziemliches Chaos.

Warum der Tag trotzdem schön war? Weil ich mich zuhause gefühlt habe. Ich war am richtigen Platz. Frei von jeglicher Fremdzerstörung an mir. Und das war einfach gut.

Jetzt bin ich trotzdem bei meinen Eltern und übernachte dort auch. Aber in der Zeit die ich auch heute wieder daheim in meiner WG war, fühlte ich mich wohl und aufgehoben. Ich habe gelesen und in Abwechslung mit dem Lesen, Klavier gespielt. Und weil mir das so gut getan hat, mache ich das jetzt auch weiterhin. Lesen. Und Musik. Lesen und Musik.

Gestern hatte ich zwar wirklich nichts zu lachen (ich habe es aber trotzdem gemacht). Es war ein trauriger, schwieriger und irgendwie schwarzer Tag. Aber ich bin froh, dass ich meinen Humor behalte, bei all dem Leid, das ich durchlebe. Und dieser wird mich wohl nie verlassen:

„Ich verliere nie meinen Humor, er wechselt höchstens die Farbe!“