Ich wohne jetzt alleine

vor fast 8 Wochen, habe ich meine erste richtige eigene Wohnung bezogen und ich bin unfassbar glücklich und dankbar für diese Möglichkeit und Chance.

Hier ist es jetzt so sauber wie ich das brauche. Ich bin raus aus der WG, in der die „Hygiene-Standards“ doch sehr oft zu wünschen übrig ließen. Und… ich fühle mich hier so wohl wie noch niemals irgendwo zuvor in meinem Leben.

Es ist ein Geschenk! Ich wurde beschekt!! Wir wurden beschenkt!

Mit viel Unterstützung durch meine Familie haben wir es hier total schön gemacht. Wir haben gestrichen, geputzt (und nochmal geputzt, brr… das war teilweise echt eklig) und auch beim Umzug selbst hatte ich grenzenlose Unterstützung. Das war schon besonders.

Meine Betreuung, jetzt in den eigenen 4 Wänden zu haben, hilft mir sehr. Ich glaube ich bin freier und zugänglicher?! Vielleicht?

Bevor ich hier her zog, war ich sehr viel bei meinen Eltern, gerade auch über Nacht und seit ich in meinem eigenen Reich bin, war das keine einzige weitere Nacht mehr notwendig und das macht mich stolz. Seit 55 Nächten schon! Gewaltig, oder?

Ich bin jetzt auch ganz nah bei den Pferden und fahre oft mit dem Rad hin oder jogge hin, miste und füttere und jogge wieder zurück (das sind pro Strecke etwa 5,5 km).

Ich wohne mitten in der Stadt und habe doch totales „Land-Feeling“. Ich sehe in den Garten hinaus auf eine alte Scheune (aus roten Backsteinen) und habe viel Grün um mich herum. Ich habe sehr nette Nachbarn und einen Parkplatz direkt vor dem Haus. Ich habe eine Terrasse, auf der schon die ersten eigenen Blumen und Kräuter stehen und lebe total ruhig im mittleren Haus eines 3er-Reihenhauses mit je 4 Partien. Es ist so schön. Vor allem war das Schicksal mit mir, dass ich in der aktuellen Wohnungssituation überhaupt etwas finden konnte. Ich weiß dieses Glück sehr zu schätzen.

Was mir nun schmerzlich bewusst wird ist, dass ich meine verletzte Seele mitgenommen habe. Die Anfangseuphorie hat sich längst gelegt – ich bin zwar immer noch sehr, sehr dankbar für alles, aber ich merke, dass ich selbst eben auch mit umgezogen bin.

Ich benötige gerade die volle Pallette Bedarf, schlafe furchtbar schlecht und jede Nacht mit Alpträumen. Ich stehe nachts bis zu 3 Mal unter der Dusche um auch die Flashbacks irgendwie wieder zurückzudrängen. Das Wasser steht dann auf eiskalt.

In der Betreuung kommen wir hier viel besser voran als das in der WG noch der Fall war und es gab, in den vergangenen 7 Wochen, genau zwei Momente in denen ich wehmütig an die WG zurückdachte. Ansonsten bin ich mit meiner Entscheidung im Reinen und realisiere das alles erst so nach und nach.

Ich bin: dankbar, glücklich, bewegt, traurig, mutig und angespannt. Bin euphorisch, hektisch, schwach, zufrieden. Überwältigt, beschenkt, stark, voller Angst… und bin noch so viel mehr.

Die Depressionen sind noch da. Die Essstörung sehr ausgeprägt. Ich stehe unter Druck, habe auch einen starken Leidensdruck. Oft stehe ich neben mir. Bekomme viel nicht so richtig mit. Die DIS zeigt sich anders, die kPTBS bleibt mir erhalten. Depressionen lassen sich nicht leugnen, genauso wenig wie die Tatsache, dass ich zu viele Medis nehme und die Wechselwirkungen Mist sind.

Aber, trotz allem: ich bin dankbar & ich bin glücklich!!!

Und jetzt starte ich mit Spannung die Phase in der ich realisiere wo ich bin und wie beschenkt ich bin.

Danke, Leben! Du hast was gut bei mir!

In 23 Minuten von hier nach da

23 Minuten haben mein Betreuer Herr Lustig von der WG bis zu meinen Eltern gebraucht. Er hat mich gefahren, weil meine Augen heute wieder Schwierigkeiten machen.

Jetzt liege ich mit Mia auf dem Sofa. Meine Mum macht sich hübsch, sie geht mit einer Freundin essen. Quatschen, Reden, Genießen… Genau das, was ich meiner Mum so sehr und von Herzen gönne.

In uns herrscht weiter Chaos. Mit dem Betreuer kamen wir zu keinem anderen Gesprächsthema wie seinen Blitzerfotos, er fährt einfach zu schnell *lach*. Na gut, wir hatten es auch noch von Dokus und nicht schmeckenden Xuker-Dinkel-Plätzchen. Er hat immer tolle Tips.

Gleich gehe ich mit Mia spazieren und gönne meinen Kleinen einen Ausflug auf den Spielplatz. Vielleicht hat jemand Lust zu schaukeln oder so.

Meine Betreuerin sagte, dass Fräulein Voni, die alle Fäden zusammenhält, vielleicht auch gerne eine Brille tragen würde. Und tatsächlich habe ich darüber nachgedacht. Es gibt auch Anteile, die wirklich schlecht sehen! Um die muss ich mich aber nochmal extra kümmern.

es heißt, Scherben spiegeln das Licht, doch ich sehe es nicht

Schwarz. Ich erkenne nichts mehr, erkenne mich nicht mehr. Bin eine Marionette am seidenen Faden, ich lächle, spiele allen etwas vor, doch innerlich ist da nichts mehr. Bin gefallen, auf den Boden geknallt, in tausend Scherben zerbrochen. Es heißt, Scherben spiegeln das Licht, doch ich sehe es nicht.

Brigitte Strehl,
aus: „Am liebsten würde ich auf der Waage eine Null stehen haben“

10 Tage Urlaub – ein Resümee

Da meine Lieblingsbetreuerin 10 Tage in den Urlaub gegangen ist, haben wir beide, noch zuvor, auch für mich eine Urlaubswoche geplant und ausgearbeitet. Das fand ich toll.

Leider war, ab dem Wissen Frau Hoffnung nicht mehr erreichen zu können auch schon die Eskalation nicht mehr weit weg. Und so lautet mein Resümee:

  • Ich habe mich sehr angestrengt
  • Ich war sehr viel häufiger bei meinen Eltern als ausgemacht
  • Ich habe die Tiere besucht, was sehr gut getan hat
  • Ich war sehr viel spazieren (aua, meine Füße)
  • Ich habe immer noch wahnsinnige Sorge wegen des Gutachtens und der Unterlagen
  • Ein Teil meiner Medikamenten ist ausgegangen
  • Ich habe Angst vor der kommenden Therapiesitzung
  • Ich bin froh, dass meine Lieblingsbetreuerin mich begleitet (so dankbar)
  • Ich hatte das Ziel in der Urlaubszeit 1 kg abzunehmen
  • 1,5 kg Abnahme habe ich erreicht, damit bin ich zufrieden (einigermaßen)
  • Ich war sehr angespannt und im maschinenhaften Funktionieren-Modus
  • Habe viele Erinnerungslücken
  • Bin zeitlich und räumlich schlecht orientiert
  • Meine Augen gehen gerade fast täglich nach oben
  • Einmal so sehr, dass ich stehen bleiben musste und meine Mum mich dort abholte, was mir sehr, sehr peinlich war

Und das schönste jetzt, wo Frau Hoffnung wieder da ist?:

  • Ich darf meine Masken wieder zur Seite legen
  • Ich kann wieder die sein, die ich eigentlich bin
  • Ich hoffe, dass ich heute schon mit ihr sprechen kann oder wir uns sogar treffen können

Morgen steht mit der WG ein Ausflug an und am Donnerstag muss ich dann schon zur Therapeutin/ Psychiaterin. Mal sehen wie das alles wird. Von dort bekommen wir noch ein Gutachten, das wir mit an die Pflegekasse schicken und dann wird es wohl auch von dort aus bald zu einem Termin zur Wiederholungsuntersuchung kommen.

Ich hab echt Bammel.

Dass heute aber meine Lieblingsbetreuerin wieder kommt ist mein Highlight des Tages! Jetzt kann nichts mehr schief gehen. Ich bin so dankbar, glücklich und froh!!!

throwback to 2009 (1)

Den ganzen Tag über war ich verhalten was das Essen angeht und habe letztlich doch keine Mahlzeit ausgelassen. Heute am Abend ging es langsam los.
Ein Eiweißbrot mit Käse, zwei Kekse, ein halbes Fischbrötchen und dann wieder Süßkram und mit einem Schlag wurde mir klar:
“ich werde mich übergeben”. Von da an gab es kein Halten mehr.

Und dann sitzt du im Bad und stopfst die letzten Kekse vor dem Kotzen in dich rein, “weil es ja jetzt eh schon egal ist”, du brauchst das Gefühl die Kontrolle zu haben, während du sie gerade wissentlich verlierst. Du trinkst einen Liter Wasser, isst zwischenrein Kekse. Trinkst. Frisst. Stopfst in dich rein was noch Platz hat. Der Magen ist voll und schmerzt schon leicht, und das obwohl du weißt, dass das hier nicht einmal ein echter, richtig großer Fressflash ist. Und doch fühlt es sich so an und was du in dich hineingezwängt hast, lohnt sich alle mal zu erbrechen.

Dein Bauch ist voll, die ersten Schmerzen machen sich bemerkbar, du stößt noch einige Male auf, dann stimmt das Mageninhalt-, Wasser-, Luft-Verhältnis. Jetzt geht es gleich los.

Du stehst auf, beugst dich über die Porzellanschüssel, steckst deine halbe Hand bis in den Hals in dich hinein und es geht los. Sehr schnell, sehr oft würgst du all das Gefressene heraus – bis du regungslos dastehst. Leer. Im Kopf und im Magen. Außer Magensäure bekommst du nichts mehr aus dir raus.
Du findest alles ekelhaft. Und doch hältst du dein Vorgehen für gerechtfertigt, ja sogar für nötig und notwendig, gänzlich unumgänglich. Die Leere hält noch einen Augenblick an, dann kommt eine immense Traurigkeit in dir auf.
Betäubt und mit Kloß im Hals (weil dir eigentlich nach Heulen zumute ist), wäschst du alles gründlichst und mehrere Dutzend Mal. Du putzt das Klo, und dich umso reinlicher.
Nichts mehr deutet auf den Vorfall gerade hin – du hast alle Spuren beseitigt. Nur eine tiefe Spur bleibt zurück – die Spur deiner Seele.

… und auf einmal weinst du.

Du legst dir deine Tabletten raus, willst Bedarf nehmen und weißt, besser wird es heute nicht mehr. Wenn der Bedarf nicht schnell ausreichend wirkt, wirst du wieder fressen und wieder kotzen. Dann wirst du wieder kurz eine Leere in dir spüren und das Klo putzen und wirst versuchen dich rein zu waschen und du weißt schon jetzt, dass dir das nicht gelingen wird – weil die Reinheit schon jetzt verschwunden ist. Du versuchst dich abzulenken. Aber du hältst nichts aus. Jedes Buch zu lesen, reicht die Aufmerksamkeit nicht aus. Der Fernseher ist dir zu hell, die wechselnden Bilder sind zu viel, der Ton zu laut, selbst auf der niedrigsten Stufe. Musik zersprengt beinahe deinen Körper und du willst einfach nur rennen. Weg von dir selbst. Und doch weißt du nicht, ob du im Dunklen und bei Schneeregen rausgehen sollst und der Schwindel entscheidet für dich: du kannst nicht.

Es ist traurig, aber ich bin gerade gefühlt tausend Meilen zurück gerannt. Und ich fühle mich furchtbar einsam. Die Traurigkeit überwältigt mich und eigentlich müsste ich mich nicht einsam fühlen, weil ich nicht alleine bin und doch ist sie doch so immens und groß.

Ich wünsche mir gehalten zu werden und weiß, dass ich es heute nicht mehr werde.

– Gedanken und Gefühle aus 2009.

And I’m proud of that.

Weinend bin ich um 1 Uhr aus einem furchtbaren Alptraum aufgewacht. Meine Augen schmerzen, weil ich so sehr weinen musste. Noch immer weinend, sitze ich nun bei einem Kaffee in der Küche, höre Musik und versuche mich irgendwie zu beruhigen. Leider gelingt mir das kaum. Ich bin gerade so einsam mit diesem Schmerz.

Am liebsten würde ich jetzt lang und heiß duschen. Es stellt sich aber die Frage, ob das für meine vier Mitbewohnerinnen nicht zu laut ist, immerhin ist es noch nicht einmal 3 Uhr am Morgen. Hinzu kommt leider, dass ich mich gestern selbstverletzt habe und dann ist das immer die Frage, ob es den noch recht frischen Schnitten wirklich gut tut, sie mit Wasser in Berührung kommen zu lassen.

Gestern Nachmittag kam ich nicht mehr klar. Ich war mir sicher es ohne Erbrechen zu schaffen. Ich habe gekämpft wie eine Löwin und bin dann doch wieder eingebrochen. Der Betreff der E-Mail an meine Lieblingsbetreuerin (mit der angehängten Verhaltensanalyse) lautete nur aufgebend „ach was soll’s“. Ich verfiel erst in Starre und dann schnitt ich mich; Den linken und rechten Unterarm, sowie meinen linken Oberarm habe ich verunstaltet. Ich habe alles gut versorgt und es war nicht nahtpflichtig, worüber ich echt froh bin. Ich möchte das nicht mehr.

Mein Wochenende war schwierig. Die Essstörung war sehr präsent. Und heute Morgen geht es mir nach diesen schrecklichen Alpträumen seit langem das erste Mal so, dass ich wünschte in der Klinik zu sein. Nicht weil die mir helfen könnten (denn ich wüsste nicht wie), sondern einfach weil ich dann jetzt nicht alleine hier sitzen würde.

In die Klinik möchte ich aber tatsächlich auf gar keinen Fall und in 6 Stunden habe ich zum Glück ja auch Betreuung.

Ich muss noch kurz. Ich mach mal schnell.

Ich schreibe meiner Lieblingsbetreuerin eine Mail und schildere folgendes:

Es geht um den Drang zu meinen Eltern zu fahren. Was wir aber für den Samstag anders geplant haben.

(…) Denn sonst würde ich jetzt wanken und schwanken um dann mit einem plötzlichen Schlag in meinem Hirn, ratzfatz alles einzupacken was ich zu brauchen denke und dann hektisch losfahren und mich erst wieder beruhigen, wenn ich Mia im Arm halte. (…)

Ich muss noch kurz. Ich mach mal schnell.

Vor einiger Zeit habe ich im Radio auf SWR3 einen kurzen Beitrag gehört, in dem es darum ging, dass wir uns selbst unter Druck setzen, uns hetzen und manipulieren, in dem wir immer wieder sagen „ich mache mal kurz den Abwasch“, „kannst du noch schnell den Müll rausbringen?“. Die Pastorin beschrieb, dass uns solcherlei Äußerungen unbewusst scheuchen und uns Stress bereiten. Sie gab Anregungen zu anderem Denken:

„jetzt mache ich noch in Ruhe den Abwasch“, und „ich gehe später noch gemütlich einkaufen“.

Seit ich auf solche Worte achte, kehrt in mir tatsächlich mehr Ruhe ein. Aus einem „ich muss das sofort machen“, wird ein „das mache ich jetzt in aller Ruhe fertig“. Das Verblüffende ist doch, dass wir gar nicht länger für diese Dinge brauchen, es uns aber ein Gefühl der inneren Ruhe schenkt. Zumindest ein bisschen.

vom Gefühl her hänge ich an der Decke

Auszug aus einer Mail an meine Betreuerin:

Vom Gefühl her hänge ich an der Decke und sehe auf mich herab. Ich sehe, wie erbärmlich ich da sitze. Mit Kaffee zur Rechten, der Wärmflasche auf dem Bauch und den Laptop auf dem Schoß. Im Wohnzimmer. Ab und an streckt der Teil, der da unten sitzt, ein Bein aus. Scheint nicht besonders bequem zu sein, schließe ich daraus. Links liegt der MP3-Player. Unberührt. Ab und an rinnt, in vollkommener Lautlosigkeit, eine stumme Träne meine Wange hinab. Mal versiegt die Quelle und mal schickt sie weitere Soldaten los.

(…) Ich habe Angst vor dem Alleinsein, dabei bin ich ja gar nicht alleine.

Mein Problem ist, dass ich alles vergesse was am Vortag war. Ich weiß, dass wir telefoniert haben, erinnere mich aber nicht über was wir sprachen. Ok, ja: ich weiß gar nichts mehr davon. Ich glaube, dass alle Gespräche und Themen in mir sind und da gut aufgehoben sind, nur hat mein Alltagsich (kann man das so nennen?) keinen guten Zugang dazu. Das macht echt alles ganz verflixt schwierig!!

Am liebsten würde ich einfach im Bett liegen bleiben und es kostete mich ungeheure Kraft überhaupt erst aufzustehen. Mich zu waschen, mir die Zähne zu putzen, meine Arme einzucremen, Kaffee zu kochen, die Scherben von A. wegzufegen und den Restmüll rauszubringen. Während ich die Scherben und den Restmüll weggemacht habe, musste ich weinen. Es war so schwer, (…). Es war so unfassbar schwer.

Ich (…) wollte Sie fragen, ob Sie mir heute auch Tschüss sagen kommen können, das tut mir immer so gut und dann fühle ich mich eingerahmt und genau das ist es, das mir gut tut: ein Rahmen! Und ich bin dann gar nicht mehr so allein!!!

TW: Kotzorgie

*Triggerwarnung*

Herzlich willkommen zur Kotzorgie des Tages,

guten Tag meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen hiermit, die bereits 7. Kotzorgie des Tages. Seien Sie gespannt auf die akrobatischen Ganzleistungen unseres Teams und lassen Sie sich von deren Kunststücken mit und über dem Porzellan-Gott verzaubern.

Und dann fresse ich wieder.

Ich bin nie der Mensch, der ich morgens bin, nie der Mensch, der ich mittags bin und nie bin ich dieser Mensch morgens.

Morgens bin ich meist euphorisch. Mittags motiviert und abends bricht die Welt über mich herein.

Ist das also der Kreislauf meines Lebens?