Schreiben, meine Kraftquelle

Ich schreibe einen langen Brief, ich schreibe seitenlange Reflexion. Ich bereite Visiten mit Stichworten vor und wann immer ich einen Stift in der Hand halte, fühle ich mich irgendwie aufgehoben.

Ich hasse die Warterei und während ich warte leite ich den Stress ab auf Papier. Ich schreibe meiner Freundin, ich sinniere über mich und meine Fortschritte nach. Ich überlege, warum die depressiven Gedanken sich nicht verbessern. Und manchmal, in besonders guten Momenten, bringt mich das Schreiben weiter. Dann verstehe ich etwas, dann begreife ich einen Zusammenhang. Dann wachse ich an meinen eigenen Worten und an anderen Tagen oder zu anderen Zeiten steht auf dem Blatt Papier dann nur die pure Verzweiflung und es ändert sich gar nichts. Und trotzdem: Schreiben bleibt mein Ventil. Es ist das beste Ventil, das ich je hatte.

Mail an einen lieben Menschen

„Liebe Frau Vogel*, 

haben Sie vielen lieben Dank für unser intensives Gespräch heute Morgen. Ich komme gerade richtig zur Ruhe. Manchmal fällt ja sogar bei mir ein Groschen und ich merke, dass ich mir keine Sorgen machen muss, dass ich nicht hierbleiben dürfen sollte (Danke!), ich merke, dass Sie nicht wegen mir gehen (dem Himmel sei Dank! [obwohl ich dahin nicht die besten Beziehungen habe]) und realisiere, dass ich mir meinen inneren Druck nicht nehmen kann, indem ich mir noch mehr Druck mache. Besonders Letzteres war wohl ein gravierender Fehlgedanke. Es ist eben nicht gut immer Gleiches mit Gleichem aufzuwiegen.

Und so sitze ich jetzt in der Sonne, habe zwar Kopfschmerzen, bin aber sonst etwas weniger angespannt als noch heute Morgen und bin Ihnen einfach dankbar für Ihre Zeit und Ihre Worte. Sie sind sehr liebenswert!

Glücklicher Weise bin ich auch wieder mehr in mir drin, ich spüre mich wieder und ich kann einen Bezug zur Realität herstellen und vor allem, was mich besonders freut, ich erinnere mich an unser Gespräch. Sicher nicht an alles, bei weitem nicht. Aber eben doch an das ein oder andere, vielleicht sogar an das Meiste.

Jetzt hoffe ich, dass ich diesen Zustand gerade aufrechterhalten kann. Leider merke ich schon jetzt, dass es zu kippen beginnt, einfach weil der Nachmittag kommt. Aber das kenne ich ja schon. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie nachher noch mal kurz bei mir reinschauen bevor Sie gehen

Herzliche Grüße
Fräulein Voni“

*Name wurde geändert, Frau Vogel ist meine Betreuerin 

Liebster Award

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Die liebe IcePrincess, von Neues aus der Mikrowelle hat mich zum Liebster-Award nominiert und ich freue mich sehr. Wirklich sehr! Ich danke dir von Herzen und freue mich, dass wir aus dem Schwabenland uns nun wechselseitig lesen!

Die Regeln:

  • Verlinke die Person, die dich nominiert hat.
  • Beantworte 10 Fragen, die dir vom Blogger gestellt wurden, der dich nominiert hat.
  • Nominiere bis zu fünf Blogs.
  • Informiere sie über die Nominierung.
  • Erstelle 10 eigene Fragen für die Nominierten.
  • (bzw. ein paar Worte an euch)

 

Zu den Fragen:

Worüber bloggst Du und warum?
Ich blogge weil das Schreiben einfach mein Medium ist (weitaus mehr als das Sprechen) und weil mir das Lesen eurer Blogs und das Schreiben meines Blogs eine große Bereicherung ist. Ich blogge über (m)ein Leben mit psychischer Erkrankung, über das Leben mit den verschiedensten Diagnosen, die sich teilweise auch verändern und sich wandeln. Letztlich schreibe ich über verschiedene innere Anteile, über die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die Berührungspunkte mit der Asperger-Diagnose, die PTBS, über Depressionen, den ganz normalen Wahnsinn einer Mittzwanzigerin (na ja, fast schon 30) und meine Tiere, die mir ganz viel Kraft geben.

Die Lieblinge: Lieblingsfilm, Lieblingsmusik, Lieblingsmensch, Lieblings…?
Sehr gute Frage, auf die ich kaum Antworten finde, weil sich bei „Lieblings-“ irgendwie mein roter Faden in einem „ach herrje ich weiß gar nicht“ verliert. Lieblingsfilm? Ich sehe gerne den Tatort, am liebsten die Folgen aus Münster, zählt das? Übrigens soll nächsten Sonntag ein neuer aus Münster ausgestrahlt werden (sagte mir vorher meine Betreuerin).

Lieblingsmusik? Kreuz und quer, aber kein Techno oder anderweitig computergenerierte Musik. Geige finde ich auch klasse, leider habe ich viel zu früh damit aufgehört sie selbst zu spielen.

Lieblingsmenschen sind für mich jene, die mir Gutes wollen. Die mich reflektieren, ohne mich zu verletzen, die mich annehmen und sich dennoch nicht scheuen Rückmeldung zu geben. Menschen, die mich in meinem Wachsen bestärken und mein Lieblingswesen ist mein Pferd! Meine Katze ist leider vor wenigen Wochen verstorben (mit knapp 20 Jahren).

Was war dein Berufswunsch als Kind und warum?
Für mich war immer klar, dass ich ein sehr gutes Abi mache und dann Medizin studiere. Das war so für mich vorgesehen und daran hatte ich auch nie einen Zweifel. Leider bin ich noch vor dem Abitur krank geworden und konnte es dadurch nie machen. Eine Tatsache, die mich immer wurmen wird. Aber ich lerne es anzunehmen wie es ist.

Welche Marotte hast du?
Eine? xD … ich habe viele Marotten, glaube ich. Aber ehrlich gesagt muss ich „Marotte“ jetzt erst mal per Definition durch Dr. Google jagen! So: „eine eigenartige Angewohnheit oder Laune“, na gut. Ich bleibe dabei: viele Marotten! Ich bin zum Beispiel sehr perfektionistisch, was manchmal ganz schön stur wirken kann. Und ich werte mich immerzu ab, auch das mag manchmal wie eine miese Laune wirken. So ’ne richtige Alltagsmarotte fällt mir nicht ein, außer dass ich ordnungsliebend bin, aber je nach Krankheitsphase merkt man davon auch mal nix. Grundsätzlich bin ich eine 150%ige. Die beste Leistung (meinerselbst) ist nicht gut genug.

Wofür brennst du? Was ist deine größte Leidenschaft?
Meine größte Leidenschaft ist mein Wissensdurst. Ich versuche immerzu mich weiterzubilden. Ich lese nur Fachbücher, weil ich bei Romanen denke, dass ich meine Zeit nicht nutze. Und das wiederum führt zu so großem Druck, dass ich mich nicht mehr konzentrieren kann und dann tatsächlich Zeit verschwende. Trotzdem brenne ich für Wissenserweiterung, auch wenn ich es selbst manchmal durch meine Erkrankung nicht so umsetzen kann, wie ich das gerne würde.

Was war bisher der spannendste Augenblick in deinem Leben?
Vor wenigen Wochen mein Umzug in die betreute Wohngemeinschaft!

Was bezeichnest du als deinen größten Erfolg?
Ich habe mich selbstständig damals auf die Schulfremdenprüfung für den Realschulabschluss vorbereitet und mit einer 1,7 abgeschlossen. Die Note ist zwar nicht so perfekt, wie ich sie haben wollte, aber es war dennoch eine gute Leistung das alles ganz alleine bewältigt zu haben und trotz einiger Fächer, die ich auf der Waldorfschule davor nie gehabt habe.

Worüber kannst du herzhaft lachen?
Dankenswerter Weise sehr oft über mich selbst. Das macht vieles leichter!

Wohin würdest du gerne reisen?
Ich würde sehr gerne mal nach Island reisen, in die Heimat meiner Pferde.

Wenn du einen Tag nur für dich alleine hast, was machst du?
Meine Lieblingsfrage dieser 10 Fragen. Sehr spannend. Also erstmal stehe ich wie gewohnt sehr früh auf (weil ich immer zeitig wach bin) und dann erstelle ich mir eine To-Do-Liste, weil ich es liebe, wenn ich Häkchen machen kann und wenn ich protokollieren kann, was ich erreicht habe. Je länger die Liste wird, desto mehr freue ich mich. Allerdings muss ich an so einem Tag für mich alleine auch aufpassen, dass ich mir keinen unsagbar großen Leistungsdruck mache (dazu neige ich nämlich). Und dann übe ich mich im Balance-Halten zwischen Achtsamkeit, dem Basteln und Erreichen von Plänen, zwischen Entspannung, Bewegung und Einsatz für eine Sache. Aber soll ich ganz ehrlich sein? Einen so perfekten Tag, wie ich ihn mir ausmale, gibt es eigentlich nie. Und dann übe ich mich eben stattdessen in der radikalen Akzeptanz und im Idealfall im Annehmen meiner eigenen Schwächen.

Danke, liebe IcePrincess!

Anstelle einer Weiter-Nominierung möchte ich die Zeit, die meine Konzentration mir lässt, nutzen um euch „nach zu lesen“. Ich kam in der letzten Zeit einfach zu nichts, obwohl ich genug Zeit hätte. Vielleicht kennt ihr das, dass man etwas tun möchte, aber einfach nicht kann und ich konnte in den letzten Wochen faktisch fast gar nichts! Manchmal lag ich nur stundenlang einfach im Bett und habe nichts gemacht. Nicht mal gedacht! IcePrincess, du hast mich wieder ein wenig aktiviert und das fühlt sich super an. Ich starte in eure Beiträge und fühlt euch, wenn ihr wollt, lieb gedrückt!

Nominierung Liebster Blog Award

liebster-award

Lieber Siggi, von http://siggispictures.wordpress.com

ich danke dir herzlich für die Nominierung zum Liebster Award, ich freue mich sehr!

Und nun voller Vorfreude zu deinen Fragen:

1. Warum bloggst du?

Ich blogge, weil ich andere an meinem Recovery-Weg teilhaben lassen möchte. Dieser Weg führt über Berge und durch tiefe Täler, aber ich glaube, dass genau das diesen Weg ausmacht. Nicht zuletzt kann ich mich durchs Schreiben besser ausdrücken, als wenn ich spreche und ich möchte „Menschen wie mir“ (Menschen mit psychischer Erkrankung) Mut machen, niemals aufzugeben und den Weg hin zur Gesundung einzuschlagen. Ist nicht die Gesundung gerade der schönste Lichtblick, den wir verfolgen können?

2. Was ist dein schönstes Erlebnis aus dem letzten Jahr?

Mein schönstes Erlebnis im letzten Jahr, war der Halt, den ich erfahren habe, während meines Klinikaufenthalts. Das Pflegeteam und meine Psychologen standen voll hinter mir und haben mir Mut zugesprochen. Sie haben mir geholfen den Weg aus dysfunktionalen Strukturen heraus, anzutreten und selbständig zu werden. Es wurde in der Klinik etwas ganz Wichtiges angestoßen und seitdem arbeite ich daran! Und ich wachse an dieser Aufgabe, jeden Tag. Besonders berühren mich die entstandenen Kontakte. Ich bin tief dankbar dafür!

3. Hast du irgendein besonderes Ziel in diesem Jahr?

Ja, ich möchte in die betreute WG einziehen, wenn alles klappt wie wir das planen, wird es schon Mitte Februar soweit sein.

4. Wem bist du besonders dankbar?

Ich bin besonders dankbar allen Menschen, die mir gut tun, meinen Freunden, die für mich da sind und mit denen ich Zeit verbringen kann. Ich bin auch dankbar, dass mich A. und C. aufgenommen haben für einige Zeit und ich auch jetzt noch dort sein darf, bis ich ausziehe und in die WG umsiedle. Ich bin all jenen Menschen dankbar, die meinen Weg begleiten und mir einfach durch ihr Dasein Stütze, Freund und Helfer sind. Und ich bin auch dankbar, dass ich diesen Menschen etwas zurückgeben kann. Vielleicht ist dieses Geben sogar heilender als nur zu Nehmen.

5. Was ist dein Lieblingsessen?

Sehr gute, sehr schwierige Frage für mich. Durch die Essstörung ist mir der Sinn für ein „Lieblingsessen“ etwas verloren gegangen. Lustiger Weise werde ich das aber derzeit öfter gefragt und weiß nie eine gute Antwort. Grundsätzlich mag ich gerne alles was frisch ist. Kein Fastfood, wenig Süßkram. Das gelingt mir mal besser und mal schlechter, aber ich habe ein gutes Gefühl wenn ich mich gesund ernähre. Die Thailändische Küche hingegen ist gar nicht meins (chinesisch, indisch, thailändisch) damit könntet ihr mich jagen. Aber Spinat, Spinat ist zum Beispiel sehr lecker!

6. Was für Musik hörst du am liebsten?

Ich höre gerne SWR3, wenn ich Auto fahre, ansonsten rockige Lieder wie von Kings Of Leon, aber auch der Song „weit weg“ von Kayef berührt mich sehr. Ich erlebe dabei mein Inneres als das, was weit von mir selbst weg ist. Dieses Lied hat mich aus dem Nichts heraus einfach gefangen genommen! Mein Fühlen perfekt aufgegriffen. Und es ist lange Zeit hoch und runter gelaufen bei mir, während ich innerlich distanziert und verzweifelt war (eben einfach „weit weg, so weit weg“.

7. Was ist ein perfekter Tag für dich?

Ein perfekter Tag ist, wenn ich mir nicht selbst weh tue. Wenn ich mich nicht schneide, nicht fresse und kotze, wenn ich keinen Alkohol trinke und mich gesund ernähre. Das heißt dann noch lange nicht, dass es mir gut geht, aber dennoch ist der Tag dann irgendwie perfekt – weil es ein Fortschritt ist, wenn ich einen Tag ohne dysfunktionales Verhalten schaffe.

8. Wie lautet dein liebstes Buch bzw. dein/e liebste(r) Autor/in?

Auch diese Frage wurde mir erst kürzlich gestellt. Spannend. Ich bin ein absoluter Fachbuchjunkie! Ich lese viel rund um Psychologie und andere lebenspraktisch relevante Themen. Ich habe schon lange keinen Roman mehr gelesen, aber ich erinnere mich, dass ich „Fallers große Liebe“ von Thommie Bayer ausgezeichnet fand. Ich habe am Schluss sogar geweint. Eine gute Freundin lieh mir einen sehr schönen Kriminalroman aus: „Karwoche“ von Andreas Föhr, der hat mir auch super gefallen. Er hat etwas erfrischendes!

9. Was bedeutet Liebe für dich?

Liebe ist für mich Akzeptanz, Vertrauen, Respekt, Würdigung, Nähe bei Achtung aller Grenzen und auch Alleinsein können ohne Misstrauen und Eifersucht. Natürlich ist all das veränderlich und zustandsabhängig, deshalb gehört zur Liebe für mich auch Entwicklung und Toleranz, Einfühlungsvermögen, Offenheit und Mut zur Gemeinsamkeit, bei vollständigem Erhalt jeden Individuums.

10. Was würdest du jetzt sofort am liebsten machen?

Im Augenblick will ich nichts lieber machen, als diese Fragen für euch zu beantworten. Ich fühle mich in diesem Augenblick ganz im Hier und Jetzt! Das ist sehr wertvoll für mich.

Nun die Regeln:
Bedanke dich bei der Person, die dich nominiert hat.
Beantworte die 10 Fragen.
Überlege dir 10 neue Fragen.
Und nominiere neue Leute für den Liebsten Award.
Informiere die nominierten Blogger!
Füge die Grafik für den Liebsten Award ein!
Vergiss nicht die Regeln des Liebsten Awards einzufügen!

 

Meine Fragen an euch:

  1. Was hat euch veranlasst, euren ersten Blogbeitrag zu verfassen? Bzw. warum habt ihr mit dem Bloggen begonnen?
  2. Was liegt euch mehr: Schreiben oder Sprechen? Warum ist das so?
  3. Was wollt ihr euren Lesern nahebringen, was liegt euch am Herzen?
  4. Seid ihr offen oder mehr verschlossen und würdet ihr das gerne ändern, oder seid ihr zufrieden damit, wie ihr seid?
  5. Was ist euer momentan größtes Ziel? Habt ihr eine Vision?
  6. Welche Schritte wählt ihr als Zwischenschritte, auf dem Weg zum Großen Ziel?
  7. Reflektiert ihr euch häufig? Was haltet ihr von Selbstreflexion?
  8. Woran verzweifelt ihr?
  9. Was macht euch Mut?
  10. Belohnt ihr euch manchmal selbst und wie praktiziert ihr dies?

Ich habe bewusst Fragen für euch gewählt, die mich selbst, für mich, immer wieder beschäftigen. Auf einige finde ich Antworten, bei anderen fische ich manchmal noch ein wenig im Trüben, aber ich finde man sollte sich auch diesen Fragen beizeiten immer wieder stellen. Ich bin daher ganz besonders gespannt, wie ihr diese Thematik angeht. Fühlt euch frei so viel zu schreiben wie ihr wollt, aber ganz ohne Stress!

 

Ich nominiere:

Annie von http://www.hoffnungsschein.de

agnes p. von http://agnesblogsite.wordpress.com

JanJan von http://blickpunktonline.wordpress.com

trienchen von http://coloursanddarkness.wordpress.com

Mission Mom von http://www.mission-mom.net

impressions of life von http://impressionsoflifesite.wordpress.com

die liebe klabauterfrau nominiere ich zurück, von http://klabauterfraublog.wordpress.com

Julia von http://freudenwege.wordpress.com

roxie von http://roxieswelt.wordpress.com

tiefseetauchen von http://krieginmeinemkopf.wordpress.com

Mia von http://miasraum.wordpress.com

 
… und da ich beim letzten Mal niemanden nominiert habe, habe ich entschieden, heute gleich 11 liebe Menschen von euch zu nominieren. Wie versprochen: „aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“

Alles Liebe euch ❤ eure Fräulein Voni

Wovor hast du eigentlich Angst?!

Montagmorgen:
Neben mir liegen drei äußerst wertvolle Bücher.

1. das „Skills Manual“ (die DBT, das Manual nach Marsha Linehan)
2. „Borderline: Das Selbsthilfebuch“ (Andreas Knuf + Christiane Tilly)
3. das neue Buch von Andreas Knuf „Sei nicht so hart zu dir selbst“

und mit allen drei Büchern habe ich Großes vor: ich will an mir arbeiten. Weil ich aber weiß, dass ich in kleinen Schritten denken muss, bei momentan allem das ich tue, nehme ich mir vor in jedem Buch nur drei Seiten zu lesen. Aber es geht nicht. Ich kann nicht anfangen. Ich drehe mich im Kreis, dann springe ich im Viereck, dann schreie ich innerlich, während ich stampfend durch ein Dreieck laufe. Alle Formen in mir sind zu einem Nichts geworden, zu einem (auto-) aggressiven Nichts.

Das Skills Manual kenne ich beinahe auswendig, ich habe oft damit gelernt und geübt, stationär und ambulant, dennoch reizt es mich, noch mal wieder reinzuschauen. Aber mein Verstand weiß, dass mich nichts Schlimmes erwarten wird. Ich kenne alle Inhalte und… trotzdem habe ich eine Blockade.

Das Borderline – Selbsthilfebuch habe ich auch schon gelesen und ich weiß noch, dass ich es gut fand, es war nicht schrecklich es zu lesen, im Gegenteil, es war gut. Auch wenn ich damals noch so ganz anders war, als ich es heute bin. Aber auch hier habe ich die volle Blockade.

Das neue Buch von Andreas Knuf soll ganz hervorragend sein. Es ist schon einige Wochen in meinem Besitz, ich hatte es gleich bestellt damals. Dieses Buch habe ich noch nicht gelesen. Aber die Bücher von Andreas Knuf sind immerzu positiv und haltend für mich gewesen, ich weiß, dass ich keine Angst zu haben brauche. Und doch habe ich auch hier eine riesige Blockade.

Aber ich habe es auch schon mit Krimis versucht oder selten mal mit einem Roman. Ich kann momentan nicht gut lesen. Eigentlich aber geht es mir auch nicht ums Lesen an sich, nein! Ich will viel mehr lernen, mich weiterentwickeln, neue Dinge lernen. Gerade in den Selbsthilfebüchern gibt es viel Arbeitsmaterial. Es gibt Anregungen und Ideen, es gibt Aufgaben und Ratschläge.

Mache ich mir wieder zu viel Druck?!

Ich werde auch morgen wieder einen neuen Anlauf wagen, vielleicht auch schon heute Abend. Vielleicht auch schon jetzt gleich. Es ist und bleibt mir nur ein Rätsel, warum ich nicht einfach zu lesen beginne.

Und ich frage mich: Wovor hast du eigentlich Angst?!

„Sich finden“ von Erich Fried

„Wie schön das klingt „Sich finden“, richtig nach Erfüllung. Und was da alles mitklingt: „Suchet, so werdet ihr finden. Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Und so weiter.

Aber wie ist es wirklich für den, der sucht? Er findet sich. Ja, er findet sich, er findet sich immer wieder und wieder und wieder, auch wenn er einmal rasten möchte, auch wenn er endlich aufhören oder auch nur unterbrechen möchte. Und wie er sich findet? Meistens in Stücken oder in Bruchstücken oder in zerbröckelnden Stücken, oder in Stücken, die sich faulig zersetzen oder doch so aussehen, als werde die Zersetzung gleich anfangen.

Und wenn er sich ganz findet, dann weiß er nicht mehr, wer er ist, er oder das, was er da gefunden hat. Und was heißt ganz? Ganz, aber tot. Ganz, aber in einem Zustand der Dumpfheit, aus dem der Gefundene nicht zu erwecken ist. Ganz aber ganz zum Tier geworden, oder zu etwas Ärgerem, denn wenn wir sagen „tierisch“, tun wir den Tieren damit Unrecht. Ganz, und vielleicht sogar auch ganz bei Sinnen, aber bei Sinnen, die keinen Sinn mehr finden können, oder vielleicht nur den Sinn noch nicht finden können, aber was hilft das? Wenn man vergeht, ehe man ihn finden konnte, dann war es fast ganz, als hätte man ihn nicht mehr finden können. Und das ärgste ist, daß man, wenn man erst angefangen hat zu suchen, nicht mehr aufhören kann, auch nicht, wenn man längst weiß, daß die Worte „Suchet, so werdet ihr finden“ eigentlich eine Warnung waren oder gewesen sein könnten.“

Quelle: Erich Fried „Das Unmaß aller Dinge. Erzählungen.“ Berlin 1990.

Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke, Paris 21.09.1902