Heute Morgen war ich erst alleine spazieren und war dann mit meinem Vater zusammen mit unseren Ponys eine große Runde laufen. Das heißt ich bin in der WG-Stadt auf den Feldern unterwegs gewesen und dann zu meinen Eltern und den Pferden gefahren. Es war schön: sowohl der eine Spaziergang, als auch der Zweite. Ich war irgendwie im Lot.
Irgendwie bin ich heute Morgen aus der WG geflüchtet. Ich habe mich auf meinen Voni (mein Pferd) gefreut und trotzdem war da auch dieses Zuflucht-Suchen, egal wo, nur nicht da, wo es mir gerade so schwer fällt. Nicht da, wo Erwartungen an mich gestellt werden, die ich nicht erfüllen kann und auch nicht will.
Die letzten Tage schon fällt es mir schwer, mich meinen Mitbewohnerinnen zu öffnen und zu nähern. Wohl habe ich mich nach meinem dissoziativen Anfall A. gegenüber geöffnet, aber um ganz ehrlich zu sein: ich habe keinerlei (!) Erinnerung und keine Ahnung, was ich erzählt habe. Schlimm. Für mich ist das echt schlimm! Das war zu viel. Ich hasse das. Und irgendwie stimmt es auch nicht, dass das nur die letzten Tage so schwer ist… es fällt mir schon immer schwer, nur habe ich momentan die Erwartung an mich, mit den anderen klarzukommen und mich anzunähern. Nicht weil ich das will sondern weil „man das so macht“.
Meine zweite Mitbewohnerin (C.), verhielt sich mir gestern irgendwie distanziert. Oder war ich es nur ich, die die Distanz im Kopf hatte? Habe ich vielleicht einfach nur wieder fehlinterpretiert, weil ich bei Menschen generell nicht durchblicke und mir immer für alles die Schuld gebe?
Gestern saßen meine drei Mitbewohnerinnen zusammen im Wohnzimmer, vor dem Ventilator. Aber ich habe mich nicht dazu getraut. Was geht in meinem Kopf vor? Und warum kann ich mich nicht öffnen. Würde ich nicht schon zu viel preisgeben, wenn ich einfach nur dabei wäre und nichts sagen würde? Ich denke ja.
Es fällt mir schwer mich zu integrieren und gleichzeitig will ich das aber auch gar nicht anders: ich brauche Zeit für mich! Das geht doch klar, oder nicht? Warum denken alle Menschen, dass man nur im Kontakt glücklich sein kann und dass man das braucht um zufrieden zu sein?
Schon als Jugendliche und als Kind habe ich das nicht gesucht und gebraucht. Ich war nie mit Freunden weg, was meine Mutter immer wieder zur Weißglut trieb „man muss doch auch seine Freundschaften pflegen“, was sind Freundschaften? Wie fühlt sich das an? Ich wusste das nicht. „Es kann doch nicht nur die Pferde für dich geben“. Doch!
Ich bekam 2009 eine Diagnose, die danach, aufgrund meiner Fortentwicklung von anderen Ärzten verworfen wurde, die ich aber nie loslassen konnte (ein lieber Gruß an Petra, an dieser Stelle), es geht um den Asperger-Autismus. Mir erschließt sich einfach nicht, warum man mit anderen „abhängen“ muss. Erst letzte Woche sprach ich mit meiner Therapeutin darüber, dass ich nicht lügen kann und dass das kein unbekanntes Symptom für Asperger-Autisten ist. (Zu anderen Symptomen an anderer Stelle mehr).
Mein sehr, sehr geschätzter Therapeut aus der Uniklinik Freiburg, der leider viel zu früh verstorben ist, sagte immer „Fräulein Voni, wissen Sie, manche Sachen gehen bei Ihnen einfach nicht und Sie können dann auch nicht sagen warum und wieso. Es geht einfach nicht und fertig“. Und so kam es überhaupt erst zur Diagnostik. So vieles wurde auf einmal klar und verständlich. Ich habe mich gesehen gefühlt und das Kind bekam endlich einen Namen. (Außerdem diagnostiziert wurde bei mir übrigens ADHS im Erwachsenenalter und ich bekam Ritalin, was das wohl hilfreichste Medikament in meinem Leben für mich war – aber das muss man sich im Off-Label-Use erst mal leisten können!)
Ja, ich bemühe mich. Nein, ich brauche oft niemanden um mich rum, der mich nicht wirklich annimmt und versteht. Meine Lieblingsbetreuerin kann ich zum Beispiel an mich heranlassen, aber da ist sie, neben meiner Therapeutin, erstmal alleine auf weiter Flur. Erst nach vielen „leeren“ Plätzen kommt dann meine Mutter und das war es dann auch schon. Ich bin nicht so der Mensch, der Nähe ertragen kann. Ich merke nicht, wenn ich mich zurückziehe, weil mir nichts fehlt. Ich brauche das nicht, dass man miteinander „eng und nah“ ist. Das war schon als Kind so: ich wollte nicht alleine sein, aber trotzdem war jede körperliche Nähe zu viel. Es reicht mir auch heute noch, wenn ich weiß „da ist jemand im Haus“, ich brauche keine Konversation. Worüber denn?
Gestern erst versuchte ich mich meiner anderen Betreuerin zu öffnen. Ich habe mich dazu gezwungen. Ich habe ihr meine Liste „angenehmer Aktivitäten“ gezeigt und dann war es auch schon zu viel für mich. Es war zu offen, das gehörte da nicht hin. Und ich war enttäuscht von mir und gereizt, aber ich konnte nicht nachvollziehen warum. Es ging einfach mal wieder nicht. Ich habe die Betreuung vorzeitig beendet und bin zu meinem Pferd gefahren.
Meine Tiere sind meine besten Freunde. Sie sind mir so viel lieber als Menschen. Ich verstehe die Tiere und sie mich. Sie wollen sich mir nicht aufdrängen und sie erwarten keine „menschlichen Verhaltensstrategien“ von mir, keine „Sozialkompetenz“ und keine guten „zwischenmenschlichen Fertigkeiten“. Sie nehmen mich an, wie ich bin. Unvollkommen. Depressiv. Fröhlich und leicht. Dissoziativ. Bei Sinnen. Sie sind da. Und sie erwarten nichts. Sie leben im Hier und Jetzt und sie fragen nicht nach einem Warum.
Ich denke, dass ich, wieder mal, am gleichen Punkt bin: bei meinem Perfektionismus. Ich nehme mich nicht an wie ich bin. Ich lasse mich nicht sein. Ich akzeptiere nicht, dass ich keine zwischenmenschlichen Kontakte brauche, weil mich diese verwirren und mich überfordern. Nein, ich will empathisch sein und nett und einfach normal und perfekt. Und bei der ganzen Sache begreife ich noch immer eines nicht: Ich bin OK. Ich bin ok, so wie ich bin. Und ich muss mich für Nichts und Niemanden ändern. Und wenn ich alleine sein will, dann darf ich das sein. Auch in der WG. Denn letztlich sind das einfach nur Mitbewohner und keine Menschen, die das Recht haben, über mich und meine Interaktionen mit ihnen zu urteilen.
Ich bin frei. Overload? Das ist OK!

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