2 Monate outpatient. Wer bin ich?

Ich kann es kaum fassen: nun ist es schon 2 Monate her, dass ich nach 9 Monaten Klinik, aus dieser entlassen wurde. Nicht geheilt. Aber ein bisschen stabiler, wenn man so will.

Die ersten Wochen daheim, war ich sehr euphorisch. Das hat sich wieder gelegt. Die depressiven Gedanken und Symptome haben wieder Einzug gehalten und ich dissoziiere sehr viel. Meine Anteile wechseln schnell. Aber sie zeigen sich und meine Therapeutin und Ärztin sagt, dass es doch immerhin ein Zeichen von Leben sei, in meiner sonst so harten Fassade. Was soll ich sagen: sie hat Recht!

Heute haben wir wieder WG-Besprechung und meine Lieblingsbetreuerin und ich wollen in dieser das Thema Dissoziation ansprechen. Es war nicht meine Idee… aber ich sehe ein, dass es Sinn macht. Denn ich habe gerade absolut keinen Einfluss auf meine inneren Wechsel und meine Therapeutin sagt, dass ich das nicht willentlich steuern kann. Sie sagt auch, dass der selbstbestrafende, kontrollierende und destruktive Teil in mir auch nur ein Anteil ist und dass das nicht ich bin. Das hat mich sehr erleichtert und hat viele Anteile eingeladen sich zu zeigen. Noch stehe ich verunsichert am Rand meines Selbst und sehe diesem Schauspiel zu. Es ist aufwühlend und verwirrend. Aber es macht mich auch neugierig. Frei nach dem Motto „wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“

Am Montag war ich noch mal bei meiner Therapeutin und habe meinen Tavor-Bedarf abgeholt, den ich in der Woche zuvor vergessen hatte. Das war sehr schön und herzlich. Es hat mir so gut getan sie zu sehen und in der Praxis gewesen zu sein und trotzdem denke ich, dass der 2-Wochen-Rhythmus für die Therapiesitzungen klar geht.

In einer guten Woche habe ich also wieder ambulante Therapie und dann sind, aufgrund des Jahresurlaubs in der Praxis, leider 4 Wochen Pause. Aber mit meiner Lieblingsbetreuerin an meiner Seite, schaffe ich auch das.

Ja, wer bin ich? Was macht mich aus? Wie komme ich in die Kommunikation mit meinen Anteilen? Meine Therapeutin hat mir vorgeschlagen ein Buch für Notizen auszulegen, in das alle Anteile hineinschreiben oder malen dürfen. Dieser Idee schenke ich Raum und Zeit.

Leider habe ich mich gestern selbstverletzt. Ich habe mich geschnitten, konnte aber alles selbst versorgen. Warum? Keine Ahnung. Ich habe es kaum mitbekommen. Die Selbstverletzung ist aber kein Grund jetzt in einem Tief zu versinken.

Im Gegenteil: ich biete dem Leben die Stirn!

Annika: „der Wind wird immer stärker!“

Pippi: „das macht nichts: ich auch!“

Outpatient – wie ist es eigentlich daheim?

Aktuell komme ich ziemlich gut zurecht. Meine Lieblingsbetreuerin ist im Urlaub für vier Wochen, worunter ich und alle WG-ler irgendwie ziemlich leiden, aber jetzt haben wir schon 2/3 der vier Wochen geschafft, da schaffen wir den Rest auch noch. Meine Strategier dafür? Gefühle wegdrücken. Läuft auch gut.

Ich hatte in der Klinik und in der Fortführung daheim 10 kg zugenommen. Aber seit meinem Juli-Projekt mit meiner besten Freundin habe ich davon jetzt wieder 3,4 kg abgenommen, was ich für knapp 3 Wochen ziemlich gut finde.

Ich gehe, wenn ich aus meiner Lethargie herausfinde, spazieren und mache ab und an Freeletics. Letzteres lasse ich aber ziemlich schleifen. Heute habe ich mich mit meinem Vater zu einem Ausflug verabredet, worauf ich mich schon freue.

Was das Essen angeht kompensiere ich darüber viel. Ich habe jetzt auch wieder ambulante Therapie, wir sehen uns alle zwei Wochen. Das ist super für mich. Auch soll es eine stabilisierende und vorerst keine aufdeckende Therapie werden. Erfreulicher Weise wurde die Langzeittherapie bewilligt.

Es geht mir wirklich ganz gut und ich bin sogar so mutig, dass ich mich morgen mit einer mir bis dato unbekannten Betreuerin treffe. Ich habe auch schlechte Momente. Zum Beispiel brauche ich oft Bedarf und gehe meist gegen 15/ 16 Uhr ins Bett (wirklich!). Aber dafür sind die Morgende gut und ich spare mir so das Abendessen. Natürlich lenkt die Essstörung mal wieder echt gut ab. Aber damit bin ich zufrieden. Und was mein Gesamtempfinden angeht: bin ich glücklich.

Mit meinen Eltern komme ich super aus und manchmal übernachte ich auch dort. Ich bin wieder häufiger im Stall und liebe mein Pferd über alles. Er freut sich immer und wir gehen reiten oder spazieren. Das ist wunderschön.

Ihr seht: es läuft gut für mich und da kann man Tiefschläge und schlechte Tage und Momente auch irgendwie aushalten und überstehen.

Outpatient-Voni, nach 76 Tagen werde ich jetzt entlassen.

Heute um 16 Uhr werde ich entlassen.

Momentan haben wir noch keine Wohnmöglichkeit im betreuten Rahmen gefunden. Ich suche von zuhause aus weiter. Ich gehe vor allem mit weinenden Augen. Aber eins lacht auch ab und an. Es ist jetzt eben an der Zeit. Es tut allen ein wenig leid, dass sich nichts zum Wohnen aufgetan hat. Meine Ärztin sagte vorher, es wäre hier sicherlich leichter für mich zu überbrücken als daheim, aber das ginge leider nicht, weil es eine Klinik hier ist. Ich weiß um diesen Umstand und es ist okay. Ich werde das daheim angehen!!

Mein Vater holt mich dann bald ab. Meine Sachen sind gepackt. Ich habe einen Brief an Frau H. ❤ und einen Brief an Frau V. geschrieben, ihnen eine Karte beigelegt und jeweils eines meiner selbstgefundenen Vierblättrigen-Kleeblätter. Ich hoffe sie freuen sich!

Das Buch das mir Frau V. ausgeliehen hat, darf ich mitnehmen um es fertig zu lesen und das Aquarium-Plakat haben wir heute endlich aufgehängt. Sie sagte zu mir, wenn sie in Zukunft vor dem Aquarium sitze, werde sie mich vermissen, auch wenn sie das als Pflegekraft eigentlich nicht sagen dürfte. Ich finde sie darf! Mir tut das nämlich sehr, sehr gut.

Nun sitze ich auf meinem Bett, warte bis L. (meine Zimmernachbarin) kommt, um auch ihr noch einen kleinen Brief zu geben und dann rückt mein Abschied in greifbare Nähe.

Es ist in Ordnung, ich werde das schaffen. Es geht jetzt darum Zeit zu überbrücken und Frau V. riet mir in die Rolle eines meiner Vorbilder zu schlüpfen zuhause und so zu tun „als ob“, und diese Idee finde ich perfekt. Herr Richter, sind Sie an meiner Seite? Ich weiß, er ist es und schaut von oben zu wie ich es mit ihm gemeinsam schaffe!

Ich hatte noch eine wunderschöne Verabschiedung von meiner liebsten Bezugspflegerin Frau H. Ich mag sie so sehr. Es war wirklich wunderschön!! Wir werden in Kontakt bleiben. Auch Frau V. hat mir ihre Mailadresse zum Abschied noch gegeben. Ich bin überglücklich! 🍀❤

Ab nach Hause!